Mit seinen malerischen Brücken, üppigen Gärten, alten Moscheen und historischen Prachtbauten ist es unschwer zu erkennen, warum Isfahan 2006 von der ISESCO (des Islamischen Pendants zur UNESCO) zur Kulturhauptstadt der Islamischen Welt gewählt wurde. Kulturhauptstadt – ein Titel, der Touristen aus aller Welt anziehen soll und es anscheinend auch tut. Denn obwohl Iraner zwar noch immer den Großteil der durch Isfahan schwirrenden Touristen ausmachen, sind westliche Touristen hier keine Seltenheit. Neben zahlreichen Hotels, Museen sowie Souvenirläden sieht man vereinzelt sogar englischsprachige Schilder und Wegweiser. In einigen Läden kann mit Euro und Dollar gezahlt werden.
Dies ist der zweite Teil meines persönlichen Reiseberichtes im Iran. Den ersten Teil können Sie HIER lesen.
Das touristische Zentrum der Stadt bildet zweifelsohne der Naqsh e-Jahan Platz. Er gehört zu den größten Plätzen der Welt und fungiert, ähnlich dem Innenhof der Shah Cheragh Moschee in Shiraz, als Haupttreffpunkt der Stadt. Umzingelt von Eisdielen, Souvenirläden, sowie zwei Moscheen, treffen hier Touristen jeglicher Herkunft und Einheimische aufeinander. Reisegruppen, welche überwiegend aus deutschen oder russischen Rentnern zu bestehen scheinen, flanieren im Stundentakt über den Platz und angrenzenden Bazaar. Es wird gepicknickt, spaziert, fotografiert, geplaudert, gehandelt. Nach fast zwei Wochen in einem fast touristenfreien Iran ist es ein ungewöhnlicher Anblick für mich.
Eigentlich hatte ich meine Zeit als Touristenseltenheit sehr genossen, doch auch ich muss zugeben, dass die touristische Infrastruktur der Stadt seine Vorzüge hat. In einem der etwas teureren (für westliche Verhältnisse aber immer noch lachhaft billigen) Hotelrestaurants esse ich täglich zu Abend. Das Personal spricht Englisch und neben der traditionellen Küche werden auch westliche Gerichte angeboten. Liebend gerne würde ich mich über Touristen aufregen und über Menschen lustig machen, welche im Urlaub das gleiche essen wie zu Hause, doch für mich als recht pingeligen Vegetarier bietet die übersetzte Speisekarte eine willkommene Abwechslung von zwei Wochen Falafel, Brot und Auberginenpaste.
Das Stadtzentrum sowie die umliegenden Sehenswürdigkeiten wirken stellenweise ein wenig steril, erfüllen kulturell gesehen aber alle Erwartungen. Insbesondere die wunderschönen Bogenbrücken Khaju und Siosepol, dessen Abendbeleuchtung ihnen einen märchenhaften Anblick verleiht, haben es mir angetan. Sie überspannen den Fluss Zavandeh, welcher unweit der Stadt auf fast 4.000 Metern Höhe im Zargos Gebirge entspringt. Im Iran sind die Berge nie weit.
Die Jameh Moschee von Isfahan ist ebenfalls einen Besuch wert. Man würde ja meinen, dass die zahlreichen Moscheebesuche irgendwann monoton oder langweilig werden würden, doch dem ist nicht so. Die Jameh Moschee ist eine der ältesten, noch bestehenden Moscheen des Irans und wurde, ebenso wie der bereits erwähnte Naqsh e-Jahan Platz, in die Liste des UNESCO Weltkulturerbes aufgenommen.
Im Iran stehen die Feierlichkeiten für das Ashura Fest, dem wohl bedeutendsten Feiertag für Shiiten, bevor. Der Feiertag fällt auf den zehnten Tag des Monats Muharram und heißt deswegen auch „Ashura“ – übersetzt „der Zehnte“. Es ist das Fest der Trauer, denn es wird an die Ermordung von Imam Hossein, einem der Ursprungsväter des Schiitischen Glaubens im 7. Jahrhundert, gedacht. Bereits an den ersten neun Tagen des Monats darf aufgrund der bevorstehenden Staatstrauer nicht gefeiert werden. Offiziell ist sogar das öffentliche Hören von Musik untersagt, doch das scheint einen Großteil der Bevölkerung, zumindest in den von Modernität geprägten Städten, nicht zu interessieren. Hätte man es mir nicht gesagt, wäre es mir wahrscheinlich nicht aufgefallen.
Als nächster Halt auf meiner Reise steht Yazd auf dem Plan. Ähnlich der Echternacher Springprozession in Luxemburg ist die Wüstenstadt im Herzen des Landes im ganzen Iran für seine Ashura-Feier bekannt. Das Iranische Staatsfernsehen überträgt jedes Jahr den dortigen Trauermarsch. Als ich am Anfang meiner Reise davon erfuhr, wusste ich natürlich direkt, wo ich am zehnten Tag des Monats Muharram sein will: In Yazd.
Die Busfahrt nach Yazd gestaltet sich trotz der kurzen Distanz von etwa 320 Kilometern ausnahmsweise als sehr lang und anstrengend. Aufgrund der bevorstehenden religiösen Feierlichkeiten sind alle Sicherheitsdienste in Alarmbereitschaft. Unzählige Male wird unser Bus an Checkpoints angehalten und durchsucht sowie die Ausweise der Fahrgäste kontrolliert. Und jedes Mal müssen die anderen Passagiere schmunzeln, wenn der erstaunte Polizist sich von Reihe zu Reihe durch den Bus arbeitet und irgendwann bei einem mit Sonnenbrand verzierten, ahnungslosen Tourist ankommt. Bei einem dieser Kontrollen ruft ein älterer, sichtlich aufgebrachter Mann etwas von hinten durch. Nach der Kontrolle übersetzt ein anderer Fahrgast für mich: „Lass doch den armen Tourist in Ruhe und freue dich stattdessen, dass jemand unser schönes Land besucht!“
Bestens mit Smartphone und Google Maps ausgestattet, mache ich mich zu Fuß vom Busbahnhof in das Stadtzentrum von Yazd auf, doch schon nach wenigen hundert Metern werde ich schon wieder angehalten. Auf Englisch werde ich von einem älteren Mann gefragt, ob ich nicht mitfahren will, schließlich ist es sehr heiß und das Stadtzentrum noch ein ganzes Stück entfernt.
Der nette Fahrer spricht hervorragend Englisch und erzählt mir Stolz von seiner Zeit als Sportlehrer an einer englischsprachigen Schule, welche 1980 im Zuge der Islamischen Revolution leider geschlossen wurde. Er führt weiter aus, dass zu Zeiten des gemäßigten Mohammed Chatami (Staatspräsident des Irans von 1997 bis 2005) Touristen keine Seltenheit waren. Doch dann kam Mahmud Ahmadinedschad für acht Jahre an die Macht und keiner wollte etwas vom Iran wissen. Jetzt, unter Hassan Rouhani, fängt der Iran wieder bei Null an.
Für den Fall, dass die wenigen Hotels der Stadt durch die zahlreichen Pilgerreisenden bereits ausgelastet sind, notiert der nette Mann mir seine Handynummer. Und selbst wenn ich keinen Schlafplatz bräuchte, wäre ich natürlich jederzeit herzlich willkommen bei seiner Familie.
Ähnlich den historischen Stadtkernen von Kerman und Mahan besteht auch das Zentrum von Yazd fast komplett aus einem Labyrinth hoher Tonmauern. Und obwohl es brütend heiß ist und ich mich mitten in der Wüste befinde, kann ich vom Dach des Gasthauses die Schneebedeckten Berge süd-westlich der Stadt bestaunen. Das Umland der Stadt erinnert, wie ich an einem Ausflug in die Wüstendörfer der Region am Folgetag feststelle, einer wunderschönen, menschenleeren Mondlandschaft.
Am Ashura sind die Straßen von schwarz gekleideten Menschen überflutet. Die Häuser sind mit Trauerbannern und Koranversen verziert. Alle fünfzig bis hundert Meter findet sich ein Stand, an welchem Tee und Mahlzeiten verschenkt werden. Niemand darf an Ashura hungern, wird mir erklärt. Wie jeden Tag im Iran, muss ich auch in Yazd zahlreiche Einladungen zum Essen ablehnen.
Immer wieder ziehen Trauermärsche von weinenden Männern durch die Straßen. Männern, die sich, angeführt von einem betenden Geistlichen, zum Takt einer Basstrommel mit der flachen Hand auf die Brust schlagen. Es soll an die Schmerzen Imam Hosseins erinnern. Die Frauen begleiten den Marsch vom Bürgersteig aus. Auch ich habe mich aus Respekt vor dieser Tradition an diesem Tag komplett in schwarz gekleidet und sehe vom Fotografieren und Filmen ausnahmsweise ab. Gerne hätte ich meine persönliche Erfahrung an diesem skurrilen, faszinierenden Spektakel dokumentiert.
Ab Abend spricht mich ein junger Student auf der Straße an. Er fragt, ob ich ihn und seine Brüder zum Abendgebet in eine der kleineren Moscheen der Stadt begleiten will. Meine Sorgen, dass ich da doch gar nicht hin gehöre und auch gar nicht wüsste, wie ich mich dort zu verhalten habe, belächelt er schlichtweg: Die anderen Gäste der Moschee würden sich sicher über meine Anwesenheit freuen. Und dass ich zudem auch noch in schwarz gekleidet bin, würden mir garantiert alle sehr hoch anrechnen.
In der Moschee werde ich zwar mit gewohntem Staunen und Trubel freundlich empfangen, doch mein Besuch sorgt für mehr Aufsehen, als mir lieb ist. Der Imam spricht mich in seiner ersten Ansprache direkt an und lässt übersetzen, dass er sich sehr über meinen Besuch freue. Keine Minute später wird mir ein großes Tablett mit Keksen und Tee überreicht. Und als dann alle anfangen zu beten, sind fast alle Augen auf mich gerichtet. Die Situation ist gelassen und freundlich, doch insgeheim kann ich es kaum erwarten, die Moschee wieder zu verlassen. Doch auch wenn es mir zeitweise etwas unangenehm war, bin ich froh, an diesem einmaligen Erlebnis teilgenommen haben zu können.
Über Kashan geht es zurück nach Teheran. Eigentlich wollte ich länger in Kashan bleiben, doch aufgrund der vielen Pilgerreisenden in Yazd waren nach Ashura sämtliche Fernbusse schon ausgebucht, was dazu führte, dass ich länger in Yazd verbleiben musste, als geplant. Es ist der Preis, den man dafür zahlt, spontan bleiben zu wollen. Ich komme abends in Kashan an und Reise Mittags für schon wieder in Richtung Teheran ab. Für mehr als einen morgendlichen Spaziergang durch die Stadt und zu den Weltbekannten Bagh-e-Fin Gärten reicht es leider nicht.
Gespannt auf meine Eindrücke und Geschichten, erwarten mich in Teheran meine Freunde. Die Freude beruht auf Gegenseitigkeit, denn nach drei Wochen in überwiegend billigen Gasthäusern und Fernbussen, freue ich mich sehr auf das familiäre Umfeld, heiße Duschen und westliche Toiletten. Wie gewohnt erweisen sich meine alte Freundin und ihr Verlobter erneut als exzellente Gastgeber. Dass ich auch mal etwas bezahle oder den beiden etwas ausgebe, ist für sie unvorstellbar.
Von Teheran aus mache ich mich auf den letzten Tagesausflug auf, in das gewaltige Elburs-Gebirge nördlich der Stadt. Nur 14 Kilometer Luftlinie vom nördlichen Stadtrand liegt der 3.964 Meter hohe Tochal. In einem so gebirgsreichen Land wie dem Iran gehört er damit jedoch nicht einmal zu den Riesen.
Unweit des Gipfels lerne ich eine Handvoll Wintersportler kennen. Einer von ihnen ist Ali, ein junger, witziger Typ, der als Teil der Skilanglauf-Nationalmannschaft komplett in den Landesfarben gekleidet ist. Sein größter Traum sind selbstverständliche die Olympischen Spiele, und dafür kommt er hier fast täglich trainieren.
„Warst du schon mal in Österreich?“, fragt Ali mich mit fast kindlichem Staunen. Da würde er ganz besonders gerne mal hin. Einmal den Hahnenkamm bei Kitzbühel herunter sausen. „Aber die geben mir ja kein Visum. Dafür braucht man entweder viel Geld oder ein Stipendium einer europäischen Universität.“
Es ist die verkehrte Welt: Er trainiert für Olympia – ich bin ein normaler Tourist. Und trotzdem ist er es, der beim Abschied unbedingt ein Selfie von uns beiden machen will.
Rückblickend auf meine Reise muss ich sagen, dass mir kein Land auf der Welt bekannt ist, in welchem die Bevölkerung auf politischer Ebene so schlecht repräsentiert scheint, wie der Iran. Holocaustleugner und radikale Religiöse sucht man im Alltag vergebens. Das gleiche gilt für Befürworter von öffentlichen Hinrichtungen und Kopftuchpflicht. Stattdessen trifft man überall im Land weltoffene und außergewöhnlich gebildete Menschen, die sich nach einem säkularen Iran sehnen. Zudem gehört das Land zu den wenigen auf der Erde, in denen Frauen den Großteil der an Universitäten immatrikulierten Menschen bildet.
Mit seinen 38 Bergen über 4.000 Metern Höhe, gigantischen Wüsten, Skigebieten, einem traumhaft trockenen Klima, einer längeren Küste als Portugal, sowie seinen 17 UNESCO Weltkulturerbestätten, wäre der Tourismus für das Land eine potenzielle Goldgrube. Mohammad Ali Najafi, Leiter des iranischen Fremdenverkehrsamts, verkündete gegenüber Iranjournal im Oktober 2013: „Wir sind ein sicheres Land. Nun müssen wir westlichen Urlaubern die Angst nehmen, in den Iran zu reisen.“
Wer sich für den Iran interessiert und selber gerne mal dorthin reisen würde, der kann sich gerne bei uns melden. Da der Iran für mich zu einer Herzensangelegenheit geworden ist, stehe ich Interessierten gerne mit Rat, Hilfe und weiteren Reisetipps zur Verfügung.
Mersi & khodahafez!
Die Jame Moschee von Isfahan
Die Khaju Brücke von Isfahan
Die historische Wüstenstadt Kharanaq in der Region Yazd
Schneebedeckte Berge im Hintergrund der Wüstenstadt Yazd
Yazd - Eine ganze Stadt trägt Schwarz
Das Tabatabaei Haus von Kashan
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